Unsere Z22
Dieser Abschnitt soll genauer auf die Eigenarten und Hintergründe
unserer Zuse eingehen.
Zeitliche Informationen zum Thema finden sich in der
Geschichte unserer Zuse.
Das Gerät steht im Keller des E-Gebäudes, in Raum U05,
schon seit Beginn. Zur Feier des 25jährigen Bestehens wurde hier
einiges getan. Das Zuse-Gehäuse bekam einige Fenster. Ohne die
Substanz allzu sehr zu verändern kann nun der interessierte
Museumsgast Einblick in die Zuse-Interna erhalten und hin und wieder
läuft sie sogar auch mal. Dann glimmen die Röhren und
Trommel und Kühlaggregat liefern einen satten Sound. Was gibt
es dort zu sehen?
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Logik und Trommel
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Die Maschine besitzt zwei Trommelspeicher. Nicht daß beide in
Betrieb wären - es handelt sich um einen alten und eine neueren.
Die Originaltrommel eignet sich besser, um die Funktionsweise zu
erkennen. In acht Spalten sind jeweils 35 Köpfe angeordnet, die
Zugriff auf 280 Spuren gewähren. Ein Teil der Spuren war von
vorneherein als Ersatz vorgesehen. Die Kopfspalten sind gegeneinander
vertikal leicht versetzt, so daß die Spuren näher beieinander
liegen können als die Breite eines Kopfes. Beide Trommeln haben
eine Drehzahl von 6000 pro Minute, bei der älteren wird dies durch einen
Keilriemen erreicht, der eine 1:2 Umsetzung des mit 50 Hz getakteten
Elektromotors erwirkt. Die neuere Trommel ist aus dem Zuse-Nachlaß,
den Siemens aufgekauft hat. Sie besitzt einen Umsetzer in Form eines
Motors und eines Generators, der aus den 50 Hz des Netzstromes 100 Hz
für die Trommel erzeugt.
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die alte Trommel
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Die Köpfe der alten Trommel mußten einzeln mit dem Schraubenzieher
und dem Oszilloskop so justiert werden, daß die Signale, die von der
Trommel gelesen wurden einer Rechteckform sehr nahe kamen.
Die neue Trommel ist wartungsfrei. Die Köpfe haben einen festen
Abstand zur Trommel und die Lagerung wird durch einen Magneten verbessert,
der die ganze Trommel etwas anhebt und so ein Lufpolster erzeugt, daß
die Reibung minimiert.
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die neue Trommel
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Das Hoch- und Herunterfahren der Trommel dauert jeweils einige Minuten.
Durch ihre hohe Masse und die hohe Drehzahl ist der Nachlauf gewaltig.
Um einen Eindruck davon zu erheischen, was beim Betrieb der Zuse so
im Raum vor sich geht gibt es hier zwei Samples (WAVE, 8 bit, 11kHz):
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Sound vom Hochlaufen der Zuse
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Sound vom Runterfahren der Zuse
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Nicht nur die Trommeln bedürfen einigem Aufwand. Die
Zuse wird in mehreren Schritten angeworfen. Zuerst das
Kühlaggregat. Dann Heizspannung an den Röhren. Sie
glimmen eine Weile vor, das erhöht ihre Lebensdauer.
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Röhren auf der Rückseite der Zuse
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Nach einigen Minuten wird die Kontrolle über die
Anodenspannung freigegeben, und man kann die Logik der Zuse
in Gang setzen. Die Zuse testet nun ihren Speicher. Dabei
zählt sie die Adressen über den kompletten Bereich
von 19 Bits durch, d.h. mit fünf vorangestellten
Schnellspeicheradreßbits und 14 folgenden Trommelspeicheradreßbits.
Solange sie an der Trommel testet, d.h. das 15. Bit noch nicht 1 ist,
merkt man davon nicht allzu viel. Wenn sie aber Bitkombinationen
erreicht, die auch Schnellspeicheradressen ansprechen, so
- fangen die Röhrenflipflops an zu blinken
- ist eine manuelle Kontrolle von Adreßbereichen möglich,
die Zuse beginnt wild zu biepen, wenn man ihr den Zugriff auf einen
Register sperrt
- werden Spezialregister angesprochen, so beginnt der Fernschreiber
irgendwann zu rattern
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da blinkts
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Fast alle der 600 Röhren wird als Flipflop genutzt. Wird die
Zuse in ihrem langsamen Modus gefahren (es gibt dazu eine Einrichtung,
die dem Turboschalter vieler PCs ähnlich ist), so kann man den
Status jedes einzelnen Röhrenflipflops an zwei kleinen
Glimmlämpchen ablesen, die direkt an den Röhrenmodulen
angebracht sind.
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der Röhrentester
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Natürlich wollen 600 Röhren gepflegt sein. Immerhin hatte
die Zuse nie mit so häufigen Röhrenausfällen zu
kämpfen, wie beispielsweise ENIAC mit seinen 600 Röhren.
Dennoch kam es vor, daß ein Flipflop nicht korrekt schaltete.
Um nun festzustellen, ob ein Röhrenmodul in Ordnung war, gab
es ein spezielles Testgerät.
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unser Oszilloskop
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War nicht ein Röhrendefekt schuld an der Misere, so lag es
zumeist an der Verformung von Signalen über den langen Signalweg.
Auch heute noch haben Computer am liebsten scharfe, rechteckig auf einem
Oszilloskop erscheinende Bits. Bei der Zuse nun kamen die Bits oft
vom Trommelspeicher, der justiert werden mußte. Dann durchliefen
sie lange Leiterbahnen mit Röhren, Kondensatoren und anderen
Bauelementen. Dort erfuhren sie weitere Verformungen, die zum Teil
recht interessante Sounds im angeschlossenen Lautsprecher ergaben.
Um dem Problem der dejustierten Köpfe und Kondensatoren
Herr zu werden, gibt es ein faszinierendes Oszilloskop.
Diese Aufgabe mußte immer von zwei Personen durchgeführt
werden, der einge las das Oszilloskop ab, der andere nahm die
Justage vor.
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Lochstreifenspuler
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Die gleichen Menschen, die sich um Justage und Betrieb der
Zuse kümmerten, waren auch Drahtzieher an vielen Projekten
rund um die Zuse. So wurden einige wirklich brauchbare Geräte
geschaffen und angewendet.
Weil der Lochstreifenleser für den nächtlichen Batchbetrieb
nicht besonders viel Zugwirkung auf lange Lochstreifen ausüben
konnte, wurde kurzerhand ein Filmprojektor so umgebaut, daß er
große Rollen abspulen konnte, und immer dann reagierte, wenn
leichter Zug am Streifen entstand. Auf der anderen Seite stand eine
Wanne, die die Streifen auffing, später wurden sie dann mit
einer Wickelapparatur wieder aufgespult.
Vielen Besuchern fällt eine Platine ins Auge, die in der Zuse
steckt und schon einige ICs enthält. Diese diente in den
späten Tagen des Zuse-Betriebs der Ansteuerung eines
300 Baud schnellen Fernschreibers. Sie ist nach Prinzipien gebaut, die
in der Zuse, wie auch in vielen heutigen Systemen verwendung finden.
So waren die Anschlüsse bereits vielpolig, Module konnten
so auch bei höherer Komplexität leicht entfernt oder
ergänzt werden. Sie hatten dafür passende Griffe.
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Fern- und Lochstreifenschreiber
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Der 300 Baud Fernschreiber ist nicht mehr betriebsbereit. Sehr wohl
jedoch das ursprüngliche, sehr robuste Gerät, das mit 75 Baud
angesteuert wurde. Die Lochstreifen, die es schreibt, werden an einer
spitzen Kante abgetrennt. Durch die Spitze in der Kante ist sogleich
die Laufrichtung festgelegt, man kann beim Einlegen praktisch nichts
falsch machen, da die Kanten des Streifens wie ein Pfeil wirken.
Durch die starke Kühlung der Maschine sammelt sich nach dem
Abschalten Kondenswasser, ja sogar Eis, im Gehäuse der Zuse.
Anfangs gab es dafür lediglich winzige Auffangwannen am Boden
des Geräts, die jedoch in einer weiteren Bastelei durch einen
Ablauf ersetzt wurden. Heute fehlen hier einige Teile. Zur Zeit der
Erstellung dieser Seite kam ein Bierkrug als Auffangbehälter
zum Einsatz. Der Bierkrug entstand zur Feier eines gewonnenen
FH-Fußballturniers in den 70er Jahren. Mit ihrer Art, Wasser
zu lassen, erscheint die Z22 wahrlich lebendig!
Z22/13-Homepage
Georg 'Gio'
Magschok, 961108